Flucht-Taktik
09. Jan 2011

(Siehe auch Video dazu, hier )
„Riesen-Schule!“ Die sms von
Tim trifft mich wie ein Stromschlag. Einige Kilometer ausserhalb
von Taiji
haben die Delfinjäger heute früh die grösste Delfinschule in
dieser bisherigen Jagdsaison
überhaupt aufgespürt. Bis zu 200 Tiere könnten es sein. Schweren
Herzens machen
wir uns auf zur Bucht von Taiji, um alles zu dokumentieren,
nachdem wir Tims
Nachricht erhalten haben. Der halbe Horizont habe geschäumt von
Delfinen in
wilder Flucht vor den Booten und Lärmstangen der Jäger, erzählt
der Amerikaner,
der freiwillig hier ist wie wir, später.
Wir warten im Gebüsch. Doch
es dauert. Dann kommen die Boote; langsam, mit viel Hin und Her
und hässlich
schwarz rauchenden Schornsteinen von den nervösen, scharfen
Manövern, um den Tieren
den Weg abzuschneiden. Dann plötzliches Innehalten. Wo sind die
Delfine? Wir
atmen innerlich etwas auf. Hoffen. Tatsächlich sind die meisten
Tiere
verschwunden – den Jägern entkommen! Offenbar haben viele
Delfine eine neue Flucht-Taktik
entwickelt: sie verteilen sich auf eine sehr grosse Fläche,
statt wie früher
eng beisammen zu bleiben. Das macht eine Kontrolle und Treibjagd
für die
Peiniger auf den Booten fast unmöglich.
Dann erkenne ich etwas, das
ich bisher erst einmal beobachtet habe: Die Jäger legen
hufeisenförmig Netze
aus, ein paar Hundert Meter ausserhalb des Hafens von Taiji. Und
es gelingt
ihnen, einige Delfine in diese Falle zu treiben. Wir wechseln
den Standort, um näher
an dieses buchstäbliche Treiben heranzukommen und stehen
schließlich auf der
rechten Hafenmole in Taiji, ausgerüstet mit Kameras und
Ferngläsern.
Delfintrainer werden in
Booten zu den Netzen hinausgefahren, die jetzt ringförmig
zusammengezogen sind.
Sieben darin gefangene Tiere zählt die kanadische
Delfin-Aktivistin und Autorin
Leah Lemieux, welche zusammen mit uns hier ist. „Pazifische
Weißseitendelfine“,
stellt sie traurig fest. Einen Meeressäuger um den anderen holen
die Jäger und
Trainer in zynischem Zusammenspiel herein und transportieren sie
direkt an uns
vorbei zu den Delfingehegen im schmutzigen Hafenwasser. So wie
sie die Delfine
draußen aus dem Wasser gezerrt haben, schmeißen sie hier alle in
einen viel zu
engen Gitterkäfig.
Mit gemischten Gefühlen
verlassen wir schließlich den Hafen. Froh darüber, dass den
Peinigern heute die
bisher größte Delfinschule dieser Saison fast vollständig
entkommen ist. Aber
betrübt, dass dieser Tag trotzdem das endgültige Ende der
Freiheit und eine
schreckliche Zukunft, gefangen in engen Delfinarienbecken für
den Rest ihres
Lebens bedeutet, für sieben Weißseitendelfine. Sie hatten nicht
das Glück, wie
ihre anderen Artgenossen und Familienmitglieder rechtzeitig
fliehen zu können.
Um das ganze Geschehen als Video anzuschauen bitte hier klicken (in Zusammenarbeit und mit freundlicher Genehmigung von Leah Lemieux, www.SaveJapanDolphins.com)
Die folgenden Bilder zeigen, wie die Delfine im offenen Wasser mit Netzen eingefangen werden und dann Stück für Stück (insgesamt 7) zum Hafen transportiert und dort in die Gehege geworfen werden. Im vorbeifahrenden Boot ist deutlich der Rücken und die Finne eines Delfins zu erkennen.
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